Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Regionalen Aktionsgruppe Saale-Holzland-Kreis (RAG-SH) in Nickelsdorf bei Crossen durfte Christian Schorsch die Initiative der „Dorfgemeinschaf(f)t“ aus der Gemeinde Schlöben präsentieren. Im Beisein der Repräsentanten anderer Projekte, lokaler Akteure, etlicher Bürgermeister und dem Landrat, wurde folgende Abschlussrede verlesen:
Liebe Mitglieder der RAG, liebe Gäste der heutigen Veranstaltung,
ich freue mich sehr, dass ich an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen darf, unser Schlöbener Projekt der „Dorfgemeinschaf(f)t“ im Rahmen des Aufrufs „Dörfer in Aktion“ vorzustellen. Leider ist mein Zeitkontingent recht eng gefasst, so dass ich versuche, mich auf Wesentliches zu beschränken.
Etwas zu initiieren, das den Gemeinschaftsgeist wecken könnte, schwebte mir persönlich bereits seit Längerem vor: eine Gruppierung, die über ein Vereinsleben hinaus will, wo man gemeinsam etwas schaffen oder gar erschaffen will und das dann nicht nur den unmittelbar Beteiligten dient, sondern dem Gemeinwohl.
Als mich unser Bürgermeister, Herr Perschke, auf „Dörfer in Aktion“ aufmerksam machte, bot sich eine Gelegenheit, die es zu nutzen galt. Die Idee der „Dorfgemeinschaf(f)t“ wurde geboren, ein Aufruf dazu an alle Gemeindemitglieder schnell veröffentlicht. Tatsächlich kamen genügend Freiwillige zusammen, um auch die Zulassungsbedingungen zu erfüllen, weshalb einem ersten Treffen im zentral gelegenen Familienzentrum nichts mehr im Wege stand. Hier galt es nun die Köpfe zusammen zu stecken, denn die zentrale Idee der Dorfgemeinschaf(f)t ist es, dass jeder seine eigenen Wünsche, Fähigkeiten und Beziehungen in die Gruppe einbringt und man sich dann – je nach gefundenem Projekt und Interesse – in kleinen Gruppen trifft, um sich gemeinsam und selbstorganisiert an die Realisierung zu machen. Es ließ sich schnell feststellen, dass wir nicht das eine große Projekt vor Augen hatten, sondern eine ganze Reihe an Vorhaben gesammelt werden konnte.
Dabei galt, dass sich für ein jedes Projekt auch ein Koordinator bereit erklären musste, der für dessen Umsetzung als zentraler Ansprechpartner fungiert und die freiwilligen Helfer bei der Organisation unterstützt. Als Koordinator der Dorfgemeinschaf(f)t insgesamt war meine persönliche Rolle ähnlich. Zunächst als Vermittler zwischen den gesammelten Vorstellungen der Gruppe und der R A G in Form eines Projektantrages und dann als Bindeglied zwischen den einzelnen Projektgruppen und Koordinator meiner selbst eingebrachten Idee, auf die ich später noch eingehen möchte.
Die größte Herausforderung bestand im Vorfeld aus meiner Sicht in der praktischen Umsetzung der Selbstorganisation. Schließlich waren die benannten Koordinatoren und auch ich selbst keine Chefs mit Weisungsbefugnissen. Alle Teilnehmer sollten stets die Möglichkeit zur Information, zur Mitsprache und zur Beteiligung haben. Dafür standen zwei Herangehensweisen im Raum: Zum einen regelmäßige Treffen für Absprachen, zum anderen – ganz modern – die Nutzung des Internets. Letzteres bietet den großen Vorteil, unabhängig von Zeit und Raum zu sein, da ein jeder zum von ihm bevorzugten Zeitpunkt und vom jeweiligen Aufenthaltsort aus zugreifen und mitmachen kann. Im heute allseits voll gepackten Alltag sicherlich zunehmend relevant… Ich wollte gern beide Möglichkeiten parallel anbieten, da jede ihre Vorteile besitzt und es auch keinen Konsens dazu gab. Letztendlich stellte sich jedoch heraus, dass sich der Koordinationsaufwand in Grenzen halten konnte. Rückblickend dennoch eine gelungene Übung zur Selbstorganisation, mit der wohl auch umfangreichere Projekte denkbar wären.
Kommen wir nun aber zu einer Reihe der geschaffenen Einzelprojekte.
Eine vielleicht recht naheliegende Idee hatten sich einige Bürger aus Zöttnitz zur Aufgabe gemacht, die sich weitere Sitzgelegenheiten im Ort wünschten. Zwei hölzerne Sitzbänke für die Allgemeinheit sollten es am Ende werden. Ein regionaler Tischler stellte dafür die Grundlagen in Form von Bausätzen zur Verfügung, die Bürger zimmerten die Einzelteile dann gemeinsam zusammen und sorgten für einen wetterfesten Anstrich.
Ebenfalls eine dicke Schutzschicht für den nahenden Winter sollten die beiden Spielzeugkisten erhalten, die nun an den Spielplätzen in Schlöben und Rabis ihren Bestimmungsort gefunden haben. Darin aufbewahrt werden Spielzeugspenden der Einwohner, die alle spielenden Kinder gemeinsam nutzen und sich teilen dürfen.
Ein besonderer Hingucker sind ganz sicher die Freiwillig-30-Schilder geworden, die nun in den Bereichen der Spielplätze in Mennewitz, Schlöben und Zöttnitz stehen. Eine gesellige Runde junger Mütter mit Sorge um das Kinderwohl hatte sich das Vorhaben gesetzt, da offizielle Tempo-30-Schilder an den entsprechenden Stellen aus unterschiedlichen Gründen nicht aufgestellt werden können.
Ein Projekt, das sich vielleicht eher unspektakulär anhört, entwickelte sich zu einem Event, das bei vielen im Gedächtnis bleiben könnte. Das Geländer der Brücke, die den reichhaltigen Durchgangsverkehr Schlöbens über ein kleines Bächlein führt, hinterließ schon lange keinen repräsentativer Eindruck mehr für den ansonsten recht gepflegten Ort. Die Dorfgemeinschaf(f)t nutzte ein goldenes Herbstwochenende wie es sonst nur im Bilderbuch zu finden ist, um es in reger Beteiligung wieder herzurichten. Selbst Tage nach dem Aktionswochenende fanden sich noch Teilnehmer, die freiwillige Nacharbeiten übernahmen und meinten, wie schade es doch sei, dass es Derartiges nicht des Öfteren gäbe…
Leider nicht ganz abgeschlossen werden konnte das Projekt, das eine Blühwiese und Wildnisecke errichten will, die zum einen heimischen Kleintieren und Insekten einen Lebensraum im menschlichen Umfeld bieten möchte und zum anderen auch als Mahnmal dafür dienen soll, bei der Gestaltung unserer Lebensräume die Tierwelt nicht ganz zu vergessen. Schließlich sind auch wir Menschen ein Teil der Natur und können nicht leben, wenn wir diese vollständig verdrängen. Im Frühjahr soll das Projekt mit Unterstützung der Grundschüler der Gemeinde abgeschlossen werden.
(Beispielfotos!)
Kommen wir abschließend zum finanziell aufwendigsten und vielleicht auch spannendsten Projekt, das die Dorfgemeinschaf(f)t realisieren konnte. Aus den Reihen der Gemeinschaft kam der Vorschlag für die Umsetzung meiner Idee eines Gib&Nimm-Raumes: Ein alter Bauwagen, der seit Jahren nicht unweit ein nutzloses Dasein fristete, sollte dafür angeschafft und genutzt werden. Es kostete die Gruppe so einige Nachmittage, den Bauwagen auf Vordermann zu bringen, zu gestalten und auszustatten. Man einigte sich, dass man gerade auch mit der initialen Grundausstattung ein eher junges bis jugendliches Publikum ansprechen und zum miteinander Teilen anregen möchte. Die Gruppe schätzte es als günstiger ein, gerade unseren Kindern eine praktische Möglichkeit in ihrem Alltag anzubieten, die ihnen einen anderen Umgang mit den Dingen vermitteln kann. Während ein Gib&Nimm-Raum für die meisten Erwachsenen vielleicht eine nette, aber im Grunde doch überflüssige Einrichtung ist, bietet er den Kindern womöglich die Chance, mit einem neuen „Normal“ aufzuwachsen und derlei Einrichtungen im späteren Erwachsenenalter als Selbstverständlichkeit zu begreifen.
Dinge miteinander zu teilen ist unbequem. Schließlich muss man sich koordinieren und absprechen. In einer Bibliothek zum Beispiel werden Bestand, Verleih und Ordnung aufwendig gemanagt. Mangels Personal beschloss die Dorfgemeinschaf(f)t, sich zu einer Haltung des Vertrauens zu bekennen und den Bauwagen rund um die Uhr geöffnet zu lassen. Die Selbstorganisation der Ausleihe von Dingen wurde mit einfachen, nichtelektronischen Mitteln gestaltet. Dennoch ist es notwendig, dass es Verantwortliche gibt, die zumindest von Zeit zu Zeit nach dem Rechten schauen. Mit besonderer Freude kann ich hier mit Janik und Romeo zwei Jungs benennen, die sich nicht nur bei der Vorbereitung des Gib&Nimm-Raumes mit außergewöhnlichem Engagement eingebracht, sondern sich auch zu dessen Pflege bereit erklärt haben. Ein ganz herzlicher Dank von mir gilt an dieser Stelle ihnen beiden genauso wie allen anderen, die einen kleineren oder größeren Beitrag zum Gelingen aller Projekte beigetragen haben.
Zum Schluss meiner Ausführung möchte ich noch einmal auf mein zentrales Anliegen aufmerksam machen, das auch der Dorfgemeinscha(f)t als roter Faden diente. Ich glaube, der Kreis der hier Anwesenden ist vertraut mit der Vielzahl an Herausforderungen und problematischen Tendenzen, die uns nicht nur hier in unserer Heimat, sondern global beschäftigen. Viele Menschen haben sich bereits aktiv daran gemacht, den vielseitigen Gefahren zu begegnen. Zudem wird es wohl kaum jemanden geben, der sich nicht zu Frieden, Gerechtigkeit und Fairness für alle Menschen bekennen mag. Doch den meisten Mitbürgern bleibt unklar, wie dies jemals erreicht werden könnte. Dafür gibt es womöglich auch gar kein Patentrezept. Jedoch vertrete ich die Überzeugung, dass die Orientierung am miteinander Teilen einen groben Wegweiser in eine friedliche Zukunft darstellt, die allen ein gutes Leben ermöglichen könnte, ohne dabei den Planeten zu übernutzen. Dabei besteht die Herausforderung darin, das Teilen auch zu systematisieren!! Deshalb werbe ich an dieser Stelle dafür, dass ein jeder seine eigenen Initiativen dahingehend prüft und vielleicht gar überdenkt! Darüber hinaus wäre es aus meiner Sicht sehr zielführend im Hinblick auf einen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel, vor allem auch neue Projekte am miteinander Teilen auszurichten, denn in dieser sozialen Praktik selbst steckt bereits der Keim zur Kooperation, die zu Gemeinschaft und letztlich zum friedlichen Miteinander führt.
Herzlichen Dank.