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Dichter Novalis

Wer heute in Schlöben nach Spuren dieser greifbar nahen literaturhistorischen Pilgerstätte sucht, der findet dort noch den Platz angedeutet, auf dem das Schloss einst stand, und auf dem Friedhof einige Grabkreuze der Hardenbergs, dessen ältestes an einen Neffen des Novalis, Hans Christoph Hildebrand Aloysius (1825-1899) erinnert.

Novalis (* 2. Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt; † 25. März 1801 in Weißenfels), eigentlich Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg, war ein deutscher Schriftsteller der Frühromantik, Philosoph und Bergbauingenieur.

Leben

Friedrich von Hardenberg wurde auf Gut Oberwiederstedt in dem zu Kursachsen gehörigen Teil der Grafschaft Mansfeld geboren. Der dortige elterliche Besitz bestand aus einem kleinen Renaissanceschloss mit Gutshof. Novalis entstammte altem niederdeutschem Adel.
Abgesehen von einem Ölgemälde ist ein ihm zugeschriebenes Taufhäubchen die einzige dingliche Überlieferung des Dichters. In der Kirche in Wiederstedt wurde der Sprössling der freiherrlich-obersächsischen Linie auf den Namen Georg Philipp Friedrich getauft. Andere Namen, vor allem Leopold, dürfen als bloße Zueignungen oder Widmungen an Bekannte und Verehrte durch den Vater und Friedrich von Hardenberg selbst gelten, der in Abgrenzung zu seinem jüngeren, Georg gerufenen Bruder, vor allem auf Friedrich (oder Fritz(e)) hörte. Auf dem Gut verbrachte Novalis seine Kindheit und Jugend.

Sein Vater, der als kursächsischer Salinendirektor in Dürrenberg, Artern und Kösen (seit 1784) tätige Heinrich Ulrich Erasmus von Hardenberg (1738–1814), war ein streng pietistischer Mensch, der wegen des frühen Todes seiner ersten Frau, den er als Strafe für sein bisheriges außerordentlich weltliches Leben sah, ein Freund der Herrnhuter Brüdergemeine wurde. In zweiter Ehe war er verheiratet mit Auguste Bernhardine Freifrau von Hardenberg, geborene von Bölzig (1749–1818), die elf Kindern das Leben schenkte, so auch – als zweites Kind – Friedrich.

Zunächst wurde der Junge von Hauslehrern unterrichtet, u. a. auch von Christian Daniel Erhard Schmid (1762–1812), dem er zu Beginn seiner Hochschulbildung in Jena erneut begegnete. Novalis besuchte 1790 die Prima des Gymnasiums in Eisleben unter Rektor C. D. Jani, wo er die damals üblichen Kenntnisse der Rhetorik und der antiken Literatur erwarb. Der Onkel, Friedrich Wilhelm Freiherr von Hardenberg, Landkomtur des Deutschen Ordens, nahm Novalis als Zwölfjährigen fast ein Jahr in seine Obhut auf dem Gutshof in Lucklum.

Im Juni 1794 schloss Novalis das 1790 begonnene Jurastudium in Jena (dort betreut unter anderem von seinem früheren Hofmeister Christian Daniel Erhard Schmid), Leipzig und Wittenberg mit bestem Examen ab. Im Zuge dieses Studiums hörte er 1791 Schillers Geschichtsvorlesung und knüpfte zu ihm während dessen Krankheitszeit enge persönliche Kontakte. Weiterhin begegnete er Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Jean Paul, schloss Freundschaft mit Ludwig Tieck, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und den Brüdern Friedrich und August Wilhelm Schlegel.

Im Oktober 1794 wurde Novalis nicht – wie eigentlich geplant – in den Staatsdienst aufgenommen, sondern verdingte sich zunächst in Tennstedt als Aktuarius bei dem Kreisamtmann Coelestin August Just, der nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch Freund und schließlich Biograph wurde, gemäß seiner Devise: „Jeder Anfang ist ein Akt der Freiheit“. Während dieser Zeit lernte er im nahen Schloss Grüningen die junge Sophie von Kühn kennen. Am 15. März 1795 verlobte er sich mit ihr, an ihrem dreizehnten Geburtstag.
Novalis um 1799, Porträt von Franz Gareis.

Im Januar des Folgejahres wurde Novalis Akzessist an der Salinendirektion in Weißenfels an der Saale, dem Ort, der seit 1785 zum Wohnort der Familie geworden war. Der frühe und qualvolle Tod seiner dann kaum 15-jährigen Verlobten im März 1797 prägte Novalis stark.

1795/96 setzte sich Novalis intensiv mit der Wissenschaftslehre Johann Gottlieb Fichtes auseinander, die erheblichen Einfluss auf seine Weltsicht erlangte, denn auf die bloße Rezeption der Schriften folgte die Weiterentwicklung des Konzepts. Aus dem „Ich“ Fichtes, das sich von allem „Nicht-Ich“ abgrenzte, machte Novalis den Ausgangspunkt für eine Liebesreligion. Nun war das „Nicht-Ich“ ein „Du“, ein gleichwertiges Subjekt.

An der Bergakademie in Freiberg, einer der zu dieser Zeit ersten Hochschuladressen für Naturwissenschaften, begann Novalis 1797 sein Studium. Dort war er Schüler von Wilhelm August Lampadius und Abraham Gottlob Werner. Letzterem fühlte er sich bald freundschaftlich verbunden.

Das Studium an der Bergakademie Freiberg umfasste Bergwerkskunde, Mathematik, Chemie u. a. m. sowie die praktische Tätigkeit in den Gruben und war damit eine ausgesprochen weitreichende, umfassende Ausbildung, zumal die „Naturlehre“ damals mehr umfasste als die späteren Naturwissenschaften. Sein Bildungsweg hatte in seiner Familie bereits Tradition.

1798 erschienen seine ersten Fragmente unter dem Titel „Blüthenstaub“, unter der erstmaligen Verwendung des Namens Novalis als Pseudonym im Athenaeum, der Zeitschrift der Frühromantiker Friedrich und August Wilhelm Schlegel. Seinen Publikationsnamen wählte Friedrich von Hardenberg nicht ohne Grund, denn er selbst bemerkte in einer Notiz an August Wilhelm Schlegel, es handele sich um einen uralten Beinamen seiner Familie: „De novali“, die „Neuland roden“, abgeleitet vom Gut seiner Vorfahren, Großenrode oder „magna Novalis“ bei Nörten.
Julie von Charpentier (Silberstiftzeichnung von Dora Stock)

Seine zweite Verlobung ging Novalis im Dezember 1798 mit der Tochter des Berghauptmanns und Freiberger Professors Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier (1738–1805) ein: Julie von Charpentier (1778–1811). Pfingsten 1799 arbeitete Novalis wieder in der Salinendirektion und wurde bereits im Dezember desselben Jahres zum Salinenassessor und Mitglied des Salinendirektoriums ernannt.
Das Novalis-Haus in Weißenfels, in dem Novalis 1801 starb.
Gedenktafel an seinem Wohnhaus in Freiberg

Im Spätherbst 1799 traf er in Jena auf andere Schriftsteller der sogenannten „Jenaer Romantik“, nachdem er im Juli bereits die Bekanntschaft von Ludwig Tieck gemacht hatte. Schon im darauffolgenden Jahr, am 6. Dezember 1800, erfolgte die Ernennung des nun 28-Jährigen zum Supernumerar-Amtshauptmann für den Thüringischen Kreis, eine Stellung, die mit der eines heutigen Landrates vergleichbar ist. Der umtriebige und fleißige Friedrich von Hardenberg war im Jahre 1800 an der ersten geologischen Vermessung der Region beteiligt.

Am 25. März 1801 um 13 Uhr starb Friedrich von Hardenberg in Weißenfels an einem Blutsturz infolge der „Schwindsucht“ (Tuberkulose).[1] Wahrscheinlich hatte er sich während der Pflege von Friedrich Schiller angesteckt. Wohl bereits ab August 1800 war er unheilbar an dem Lungenleiden erkrankt, das es ihm unmöglich machte, seinen Beruf auszuüben. Neuere Forschungen unterstellen allerdings die Erbkrankheit Mukoviszidose als eigentliche Todesursache; seit seiner Kindheit litt Novalis an Lungenentzündungen und allgemeiner Körperschwäche, was diese These stützt.

Nach seinem Tod wurde er in Weißenfels auf dem Alten Friedhof beigesetzt.

Er selbst erlebte lediglich die Veröffentlichung der „Blüthenstaub“-Fragmente, der Fragmentsammlung „Glauben und Liebe oder der König und die Königin“ (1798) und der „Hymnen an die Nacht“ (1800). Die unvollendeten Romane „Heinrich von Ofterdingen“ und „Die Lehrlinge zu Sais“ sowie die später so genannte Rede „Die Christenheit oder Europa“ wurden der Öffentlichkeit erst durch die posthume Drucklegung durch die Freunde Ludwig Tieck und Friedrich Schlegel zugänglich.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Novalis

Waren seine lyrischen Anfänge noch im Stil des Rokoko und der Aufklärung gehalten, so stehen die reifen Schöpfungen seiner drei letzten Lebensjahre im Zeichen der romantischen Kunst. Kunst- und Denkform und können als höchste und reichste Gestaltung der Romantik gelten. Die „Hymnen an die Nacht“ (zuerst 1800 im „Athenäum“ veröffentlicht) verklären in rhythmischer Prosa das eigene Liebes- und Todeserlebnis. Christentum und Pantheismus durchdringen sich in den innigen „Geistliedern“. Der tiefsinnige, in schlichter, klangvoller Sprache geschriebene Roman „Heinrich von Ofterdingen“, von dem nur der erste Teil vollendet ist, behandelt Wesen und Wert der durch die Blaue Blume symbolisierten Poesie. Der Geist dieses Buchs spricht auch aus dem Aufsatz „Die Christenheit oder Europa“ (geschrieben 1799), der ein verklärtes Bild des Mittelalters und die Spaltung der europäischen Christenheit durch Reformation und Aufklärung beklagt. Lungenschwindsucht beendete vorzeitig das Leben des Dichters, wenige Wochen, nachdem das Ziel seines beruflichen Strebens, die Ernennung zum Amtshauptmann, erreicht war.
Auch seine Brüder Georg Anton von Hardenberg (*Schlöben 28. Juli 1781, †Oberwiederstedt 10. Juli 1825 als preußischer Kammerherr und Landrat) und Karl von Hardenberg (*Oberwiederstedt 13. März 1776, †Weißenfels 28. Mai 1813 als Amtshauptmann), die beide zur katholischen Kirche übertraten, haben sich dichterisch betätigt; letzterer, der sich als Schriftsteller Rostorf nannte, gab ein (besonders durch die Beiträge F. Schlegels wichtiges) Taschenbuch „Dichtergarten“ (1807) heraus, in dem auch (mit Sylvester gezeichnete) Gedichte von Georg Anton von Hardenberg stehen.

Schlägt man den 4. Bd. der historisch-kritischen Ausgabe der „Schriften“ von Novalis auf, der den überlieferten Briefwechsel enthält, so stellt man – ausgesprochene Novalis-Spezialisten ausgenommen – mit einiger Überraschung fest, dass der erste dort präsentierte Brief mit „Schlöben, am 1. Januar 1785“ datiert ist. Soweit man überhaupt ein etwas eingehenderes Interesse an der deutschen Frühromantik und damit an seinem wohl typischsten Vertreter, Friedrich von Hardenberg (1772-1801), der sich als Poet Novalis nannte, hat, so mag man mit diesem Namen ja eine ganze Reihe von Orten des thüringisch-sächsischen Raumes verbinden: (Ober)wiederstedt  -Geburt und Stätte der Kinderjahre; Weißenfels – Wohnsitz der Familie seit 1785 und auch später Hauptwohnort des Dichter-Philosophen und kursächsischen Salinebeamten; Leipzig – Studium und Beginn der anregenden Freundschaft mit Friedrich Schlegel- Bad Tennstedt und das benachbarte Grüningen – Lebensraum seiner jungen Geliebten und 15jährig verstorbenen Sophie von Kühn; oder Freiberg – quasi postgraduales Studium an der dortigen Bergakademie und schließlich natürlich Jena mit seinem frühromantischen Kreis um die Gebrüder Schlegel, den er als „korrespondierendes Mitglied“ nachhaltig mit prägte.

Und nun also auch Novalis und Schlöben!?

Gibt es mehr als diesen erwähnten Brief? Ja! Das Gut Schlöben, zu dessen Gerichtsbezirk noch einige weitere Dörfer der Umgebung gehörten, kam 1727 über die in Niedersachsen ansässige Familie der Urgroßmutter des Dichters, Anna Dorothea zu Eltz (gest. 1724), in den Besitz der Hardenbergs. Sie hatte 1694 Georg Anton von Hardenberg (1666-1721), den Begründer der Oberwiederstedter Linie dieses weitverzweigten Geschlechts (Stammhaus Nörten bei Hannover), geheiratet. 1768 fiel das Gut an Novalis Vater, Heinrich Ulrich Erasmus von Hardenberg (1738-1814), der bis 1785 das Stammgut der Linie in Oberwiederstedt bei Hettstedt bewirtschaftete und dann als Direktor der kursächsischen Salinen von Dürrenberg, Kösen und Artern mit der Familie nach Weißenfels übersiedelte.

Für die Wirtschaftlichkeit des Schlöbener Gutes mag sprechen, dass der Vater aus finanziellen Gründen alle anderen Nebengüter veräußerte und neben dem Stammsitz nur an Schlöben festhielt. Aber die Familie hing offenbar nicht nur wegen der zu vermutenden Rentabilität an dem Gut. Am Rande des waldreichen „Holzlandes“ gelegen, fungierte es als eine Art Sommerfrische und Feriendomizil der Hardenbergs, auf das sich die Mitglieder und Freunde der Familie zurückzogen, wenn sie körperlichen und seelischen Schwächemomenten begegnen wollten. Vor allem Novalis Mutter, Bernhardine Auguste geb. von Bölzig (1749-1818), erholte sich hier häufig nach den Geburten ihrer zwischen 1771 und 1794 geborenen elf Kinder. Zwei von ihnen, Georg Anton (1781-1825) und die frühgeborene Auguste (1783-1804) kamen in Schlöbenauf die Welt. Zur Entlastung der Mutter oder wenn größere Ereignisse das Leben in Oberwiederstedt tangierten, wie etwa die Übersiedlung nach Weißenfels, hielt sich ein Teil der Kinder für einige Zeit inSchlöben auf. Führten „Geschäfte“ die Familien-angehörigen nach Jena, z. B. eine Konsultation bei den medizinischen Kapazitäten Johann Christian Stark Sen. und Jun., so nahmen sie in Schlöben Quartier. 1795 zog sich der Bruder Karl (1776-1813) für einige Wochen dorthin zurück, nachdem er erleben musste, wie seine Angebetete einen anderen Mann heiratete. Und Novalis Lieblingsbruder Erasmus (1774-1797), der eine Ausbildung zum Förster und Jäger absolvierte, verdiente sich in Schlöben seine ersten weidmännischen Sporen.

Heute sind bei weitem nicht mehr alle Aufenthalte Friedrich von Hardenbergs in Schlöben zu ermitteln. Als der Zwölfjährige am 1. Januar 1785 seiner Patentante Johanna Dorothea Sidone von Dieskau (1736-1820) in Gera seinen in Verse gesetzten Neujahrsgruß schrieb, der zugleich das früheste erhaltene literarische Zeugnis des späteren Dichters darstellt, war er gewiss nicht zum ersten Mal in Schlöben. Das legt vor allem ein Brief des Bruders Karl vom 20. Oktober 1795 an ihn nahe, in dem jener seinen schon erwähnten Liebesschmerz zum Anlass nahm, sich der in Schlöben verbrachten unbeschwerten Kindertage zu erinnern: „Du kannst Dir unmöglich die sonderbare Stimmung denken, in der ich war, als ich hier ankam, hier an dem Ort, wo ich die ersten Tage meines Lebens, die frohen Jahre der Kindheit verlebt hatte; jede Stelle, wo wir gespielt, jeder Baum, auf den wir kletterten, die Terrasse, wo im Winter unser Schlitten herunter glitt, alles schienen mir alte Bekannte, jede dieser Stellen erinnerte mich an eine kleine, interessante Anekdote, und sie kamen mir wie Augenblicke vor; ebenso werden wir einst im höheren Alter zurückblicken.“

Es ist also anzunehmen, dass Friedrich von Hardenberg als Kind sehr oft auf Gut Schlöben weilte. Neben den vom Bruder in Erinnerung gerufenen Stätten des Spielens und Tollens mag es ihm vor allem die offenbar gut ausgestattete Bibliothek angetan haben; denn auf sie griff er auch später von verschiedenen Stätten seines Wirkens aus noch gelegentlich zurück. So ließ sich der Vierzehnjährige im November 1786 aus Schlöben die 16bändige „Historia mei temporis“ (Paris 1734) von J. A. Thou nach Weißenfels schicken, nachdem ihn der die gesamte Familie beherrschende Onkel „Großkreuz“, Friedrich Wilhelm von Hardenberg (1728-1800), Landkomtur des Deutschen Ordens der Ballei Sachsen in Lucklum, deren Lektüre dringend ans Herz gelegt hatte. Im Zusammenhang mit seinen ersten ambitionierten literarischen Versuchen erbat sich der Jüngling am 6. August 1788 vom Gerichtsverwalter des Gutes, dem „lieben Herrn Steinbrecher“, aus der Schrankbibliothek eine Liste der vorhandenen italienischen Bücher, eine italienische Grammatik sowie ein brauchbares Lexikon. Das waren typische Hilfsmittel für einen, der sich zwar im jugendlichen Überschwang schon zum Dichter berufen fühlte, dies aber vorerst vornehmlich durch Nachahmung literarischer Vorlagen (in diesem Falle Ariost und Tasso) realisieren konnte. Und als sich Novalis im Herbst des Jahres 1800 darauf einstellte, dass sich seine bevorstehende Heirat mit Julie von Charpentier (-) zerschlagen könnte, stellte er sich, von der tödlichen Krankheit bereits gezeichnet, noch ein umfängliches Leseprogramm zusammen, in das er auch Bücher aus der Schlöbener Bibliothek einbezog. Als Friedrich von Hardenberg im Herbst 1790 für zwei Semester an die Jenaer Universität ging, genügte die Bibliothek aber doch nicht mehr den aktuellen Ansprüchen. Jedenfalls sandte er neben einem kleinen wissenschaftlichen Handapparat von 125 Titeln, den er direkt in Jena deponierte, auch eine Bücherkiste nach Schlöben. Dahinter stand ohne Zweifel die Erwägung, einen Teil seiner freien Zeit auf dem zwei Stunden entfernten Familiengut zu verbringen. Über die wohl längeren Besuche in den Kinder- und Studententage hinaus sind aus den späteren Jahren noch zwei Aufenthalte sicher verbürgt, die auch für diese Zeit

auf eine häufigere Anwesenheit schließen lassen. Diese Annahme liegt um so näher, als mit dem Tod der „Jenaer Tante“, Johanna Elisabeth, geb. von Mordeisen, im Jahre 1793 gerade dann ein Anlaufpunkt der Familie in der Stadt verloren gegangen war, als kurz darauf die Zeit begann, in der Novalis oft in Jena weilte.

In der ersten Märzhälfte des Jahres 1796 führte ihn, mittlerweile selbst in der Saline-Direktion beschäftigt, eine dienstliche Rundreise mit dem Vater von Weißenfels über Wiederstedt, Artern und Kösen auch nachSchlöben. Von besonderer Bedeutung aber ist sein Aufenthalt auf dem Gute am 10. November 1799. An diesem Tage heiratete dort seine ältere Schwester Caroline (1771-1801) den aus der Lausitz stammenden Friedrich von Rechenberg (1760-1808). Zunächst einmal sind mit diesem Ereignis zwei Verlautbarungen des Novalis verbunden. Zum einen verfasste er für die Mutter ein Gedicht, in der diese sich mit ihren guten Wünschen für diesen Tag an die Tochter wandte. Detlef Ignasiak hat dieses Gedicht unter dem Stichwort „Schlöben“ in seinem kürzlich erschienenen kulturhistorischen Führer „An der Saale und im Holzland“ aufgenommen. Zum anderen hatte Novalis als ältester Bruder die Aufgabe, eine kleine Tisch-Rede zu halten. Der Entwurf dafür ist ebenfalls erhalten geblieben. Größere Bedeutung erlangte diese Teilnahme Novalis an der Hochzeit der Schwester jedoch in einem anderen Zusammenhang. Von Schlöbenaus stieß er zu dem legendären Treffen, das vom 11. bis zum 15. November 1799 im Jenaer Hause der Schlegels so gut wie alle Frühromantiker vereinte. Diese Zusammenkunft, die auch den zentralen Orientierungspunkt für die Jubiläumsaktivitäten des Jenaer Romantikerhauses zu „200 Jahre Jenaer Frühromantik“ bildet, hätte sicher nicht die heute ihr beigemessene historische Dimension erlangt, wenn Novalis nicht dabei gewesen wäre. Überhaupt ist ja die prägnante zeitliche Begrenzung dieses Treffens in erster Linie von Novalis Anwesenheit bestimmt, da alle anderen Teilnehmer damals ohnehin für längere Zeit in Jena weilten.

Schlöben bestimmte zumindest den Zeitpunkt dieses in jedem Buch über die Romantik herausgestellten Ereignisses der deutschen und europäischen Geistesgeschichte. Auf eigentümliche, aber typisch „romantische“ Weise ist Schlöben mit dem zentralen Erlebnis des Novalis, seiner Liebe zur jungen Sophie von Kühn (1782-1797), verbunden. Am Rande gilt es zunächst zu vermerken, dass der Vater der Schwer-kranken Gut Schlöben als Aufenthaltsort anbot, solange sie der Behandlung durch die Jenaer Ärzte-Dynastie der Starks bedurfte. Dieses Angebot war für die Familie das deutlichste Indiz dafür, dass der Vater in seiner anfänglich ablehnenden Haltung gegenüber einer Verbindung seines Sohnes mit Sophie von Kühn eine radikale Kehrtwendung gemacht hatte, nachdem er das Mädchen selbst kennen gelernt hatte. Interessanter aber als diese weitere Bestätigung für die schon angemerkte Erholungsfunktion des Gutes sind einige Beilagen, die Novalis in offenbar beschwingter Laune einem Brief anfügte, den er wahrscheinlich im Juni 1795 von Grüningen aus an Caroline Just, der Nichte seines väterlichen Vorgesetzten in Tennstedt, geschrieben hatte. Fiktiver Hintergrund dieser als Anzeigen und in einem Falle als Brieffragment gestalteten „Dokumente“ vom Frühsommer 1795 ist die Vorstellung eines gerade begründeten gemeinsamen Hausstandes des Briefschreibers mit Sophie auf Gut Schlöben im Frühjahr 1798, dem frühest möglichen Zeitpunkt für eine Hochzeit der beiden. Die den Mittelpunkt dieser Phantasien bildende „Annonce“ lautet: „Unsern wechselseitigen Verwandten und Freunden machen wir hierdurch unsre Verbindung am 19ten März dieses Jahres bekannt und versichern uns im voraus ihrer freundschaftlichsten Teilnahme. – Schlöben: am 25ten März 1798. Friedrich von Hardenberg und Sophie von Hardenberg geb. V. Kühn.“ }

Daneben gibt es eine Anzeige, mit der jemand zum „Warten kleiner Kinder“ gesucht wird, sowie eine Verlustmeldung, die dazu auffordert, eine zwischen Tennstedt und Schlöben verloren gegangene „Schachtel mit Kinderanzug, sign. S. v. H.“ im letztgenannten Orte gegen eine Belohnung von „2 Fridrichsd’or“ abzugeben. Das ebenfalls erfundene Brieffragment wird einem Reisenden zugeschrieben, der bei einem Zwischenaufenthalt in Jena zufällig erfährt, dass (der mittlerweile berühmte) Friedrich von Hardenberg nur zwei Stunden entfernt wohne, sich daraufhin entschließt, ihn zu besuchen, und nun seinem Briefpartner die dabei gewonnenen Eindrücke als „das beste Stück“ seiner ganzen Reise schildert.

Bekanntlich haben sich diese Träume der beiden Liebenden vom Frühjahr 1795 nicht erfüllt. Sophie, die gedachte Herrin auf Gut Schlöben, starb am 19. März 1797. Vier Jahre später folgte Novalis ihr nach. Doch diese Vision von 1795 war nicht völlig aus der Luft gegriffen. Das Schlöbener Gut hatte den Status eines sog. Seniorats. Damit war festgeschrieben, dass es im Regelfall ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche Nähe stets auf den Familienältesten überging. Nachdem 1822 mit dem Onkel Georg Gottlieb Lebrecht von Hardenberg, der möglicherweise schon zu Lebzeiten des Vaters ein Mit-spracherecht am Gut hatte, der letzte Verwandte aus dieser Generation gestorben war, fiel das Gut tatsächlich an den zu diesem Zeitpunkt einzig noch lebenden Bruder des Novalis, Georg Anton, der, wie oben vermerkt, auch in Schlöben geboren war. Schlöben hätte also durchaus als Musensitz eines bis weit in die Moderne hineinwirkenden Dichters und Denkers in die europäische Literaturgeschichte eingehen können. Das hier Zusammengetragene reicht dafür leider nicht aus.